31. Januar 2015

Kommentar zum Zeit-Artikel "Wie Schiedsrichter verpfiffen werden"

Wer auch in der Rückrunde über Schiris schimpft, übersieht: Sie werden schlecht geführt. Ihre Chefs fördern Günstlinge und fordern Gehorsam. Fehlentscheidungen nehmen zu.

So beginnt der Artikel von Oliver Fritsch, erschienen auf Zeit-Online am 30.Januar. Darin finden sich einige interessante Behauptungen, allerdings scheint da auch viel Spekulation bei zu sein. Wahrscheinlich hat da jemand seinen Frust bei dem Autor abgelassen. Die Sache hat vermutlich einen wahren Kern, aber mir erscheint der Artikel zu extrem und einseitig.

Regelauslegungen müssen nun mal von der SR-Kommission vorgegeben werden. Dass es dann welche gibt, die damit nicht einverstanden sind und das "verwirrend" finden, lässt sich wohl nicht vermeiden. Wobei es natürlich kein großes Hin und Her während einer Saison geben sollte. Und gerade beim Handspiel finde ich auch, dass das zu sehr verkompliziert wird. Warum nicht einfach sagen, dass der SR nach bestem Wissen entscheidet, ob er meint, dass Absicht vorliegt, ohne irgendwelche Richtlinien.

"Fandel und Krug beförderten nach Sympathie, hätten kein Mitgefühl" finde ich einen Widerspruch in sich. Man kann natürlich strikt nach Noten entscheiden oder aber auch die Persönlichkeit mit einfließen lassen. Aber hier wird ja im Prinzip beides kritisiert. Und Entscheidungen "nach Sympathie" hören sich sehr nach dem Vorwurf eines Benachteiligten an.

Dass die Noten der Beobachter von der DFB-Zentrale noch angepasst werden, kann man vielleicht komisch finden. Andererseits ist dadurch auch eine bessere Vergleichbarkeit gegeben. Man sollte das ganze aber zumindest intern, also unter Beobachtern und Schiedsrichtern transparent gestalten. Eine "ungerechte" Benotung wird es aus der Sicht einzelner wohl immer geben.
Eine Idee könnte sein, dass auch die Vereine die Schiedsrichter bewerten und das zu einem Teil berücksichtigt wird.

Zu den einzelnen Namen: Zwayer ist sicherlich schnell aufgestiegen, allerdings ist bei ihm auch wirklich viel Talent erkennbar. Für mich also schon nachvollziehbar, dass man da nicht jede Fehlentscheidung auf die Goldwaage legt. Die Wahl zum SR des Jahres war vielleicht etwas übertrieben, allerdings gab es auch keinen klaren anderen Favoriten.
Die auch genannten Winkmann und Hartmann haben auch aus meiner Sicht klar schwächere Leistungen gezeigt.
Dass Gräfe seit dem Fall Rafati seinen Status verloren hat, sehe ich nicht so. Er hatte doch seitdem immerhin ein Pokalfinale und viele weitere Topspiele.

Dass Vereine Schiedsrichter ablehnen können, finde ich eigentlich richtig. Meiner Meinung nach sollte man sogar offiziell erlauben, dass jeder Verein 1-3 SR benennt, die sie nicht wollen. Dann müssten diese Clubs nämlich die SR, die sie dann bekommen, eher akzeptieren und erkennen, dass nicht alle schlecht sein können.

Dass die deutschen Schiedsrichter früher besser waren, ist mMn ein Fall von "früher war alles besser". Gerade in der Hinrunde gab es doch verhältnismäßig wenig Kritik an den Schiedsrichtern. Zum Beispiel in England ist die Unzufriedenheit mit den Referees deutlich größer.
Dass die deutschen Schiedsrichter international nicht mehr so viel Bedeutung haben, ist nur begrenzt richtig. Zum Beispiel haben Stark und Brych 2012 bzw. 2014 die Europa League Finals geleitet. In der CL verhindert die Stärke der Bayern oft mehr. Dass die Deutschen-Quote vier mal so hoch war, ist Quatsch. In dieser Saison sind regelmäßig 3 Deutsche in der CL (Brych, Stark, Aytekin) und 2 in der EL (Gräfe, Zwayer) im Einsatz gewesen, in der Regel jeden zweiten Spieltag. Häufiger wird kein SR eingesetzt. Zu Hochzeiten waren es vier Deutsche in der CL, insofern ist es momentan etwas weniger, das lässt sich aber auch mit einem altersbedingten Umbruch erklären. Es stehen jetzt aber mit neben Aytekin und Zwayer mit Welz und Dingert, sowie mittelfristig auch Dankert und Stieler schon einige jüngere Deutsche parat, um die Lücke zu füllen. Auch dort ist die Situation z.B. in England viel schlimmer.

Alles in allem erscheint mir die Situation nicht so schlecht, wie hier dargestellt. Trotzdem ist es natürlich möglich, dass an den Behauptungen einiges dran ist und das Verhalten der SR-Führung verbesserungswürdig ist. Dann liegt die Hoffnung darin, dass die vielen SR, die demnächst ihre Karriere beenden, sich dagegen auflehnen bzw. Veränderungen vorantreiben.

Was meint ihr zu dem Artikel? 

4 Kommentare:

  1. Das Zauberwort heißt Differenzierung: leider hat der Autor nicht erklärt, warum er sich zu dem Artikel veranlasst sah und wie er zu der Berichterstattung kommt - sei es durch Recherche, Fakten, oder einfach, wie ich vermute, um der Kritik eine Stimme zu geben. dies wäre hilfreich gewesen.
    Ich kann letztgenanntem Punkt durchaus etwas abgewinnen, da ich mir auch oftmals Fragen stelle, die der Autor aufgeworfen hat: Bewertung der Schiedsrichter/Beförderungen, Kritik, Regelauslegung, interner Umgang (wovon ich natürlich gar nichts weiß), Strukturen. Dazu gleich im Einzelnen.
    Dennoch müssen auch gegenseitige Fakten und Argumente berücksichtigt werden, so wie Du es getan hast.
    Aber vorab: Verbesserungen kann es immer geben, Kritik muss ernstgenommen und aufgegriffen werden, entsprechend reagiert werden: angemessener Umgang, faire und transparente Strukturen.

    1. Regelauslegungen: Jeder Schiedsrichter weiß, dass Vorgaben gemacht werden. FIFA/UEFA und nationaler Verband müssen es ja schaffen, ihre Ansichten durchzusetzen. Dabei ist es klar, dass es immer unterschiedliche Auffassungen gibt, jedoch hat der Schiedsrichter meistens immer einen gewissen Spielraum. Dennoch sollte die Leitung eine klare, verständliche Linie haben, so dass es eine gewisse Akzeptanz gibt (was ja bei Armeinsatz, groben Fouls oder teilweise auch Abseits gut funktioniert hat). Natürlich muss man sehen, dass das Zugeben von Fehlern in den Medien in der heutigen Zeit nicht unterbleiben kann, zumal man ansonsten von Uneinsichtigkeit, Arroganz und "verschlossenen Türen" sprechen würde.

    Dies führt mich gleich zu Punkt 2 - Umgang mit Schiedsrichtern/Kritik: ich muss davon ausgehen, dass die recherchierten Fälle vorliegen. Dann habe ich keinerlei Verständnis dafür, die Schiedsrichter seitens der Leitung "klein zu halten". Ein fairer und offener Umgang darf nicht von der Öffentlichkeit gefordert werden, man selbst hält sich von der SR-Leitung aber nicht daran. Intern muss es korrekt zugehen! Das Gräfe-Beispiel lockt natürlich zu wilden Theorien, die vielleicht auch nicht ganz abwegig sind (man kann sich schon fragen, wie es 4 Spanier in die Elite-Kategorie schaffen, und dann Gräfe, der mMn keine "schlechten" Leistungen gezeigt hat, nicht - Unterstützung durch Fandel?). An solchen Spekulationen kann ich mich aber fundiert nicht beteiligen, da ich keinerlei Informationen habe. (Gleiches gilt für Beobachter)

    Dies führt mich aber zum 3. Thema - Benotung/Beförderungen: In den allermeisten Fällen haben ich oder viele, viele, die hier oder woanders sich mit Schiedsrichtern befassen, die Aufstiege und Beförderungen vorhergesehen, also die Meinung/Bewertung geteilt. Bei Benotungen gibt es leider sehr, sehr oft Ungerechtigkeiten. Eine kritische Haltung (s.o.) o.ä. darf aber kein Grund für eine schlechte Bewertung und Behandlung sein. Das Leistungsprinzip + Persönlichkeit des Schiedsrichters müssen gelten.
    Winkmann oder Hartmann waren leistungsmäßig nicht so top, dass man hier von einer Benachteiligung sprechen kann. Natürlich galt auch bisher eine Altersgrenze!

    4. Strukturen: Daran anknüpfend lässt sich festhalten, dass eine nachträgliche Benotung nicht schlecht sein muss, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass gewisse Entscheidungen vertretbar waren. Es muss aber eine klare Struktur geben. Es wird immer etwas komsich, wenn ein/zwei Personen alleine entscheiden und es Abhängigkeiten gibt. Dies muss vermieden werden. Es ist zweifelhaft, wieso die DFL mitentscheiden darf, aber der Vertrag zwischen DFB und DFL scheint ja von der FIFA genehmigt. Genaueres kann ich dazu nicht sagen. Dies könnte ja genauer recherchiert werden.

    5. Internationales: Mit England und Deiner Faktenaufzählung in Sachen Elitegruppe und Einsätzen hast Du vollkommen Recht; auch die Feststellung, die Schiedsrichter seien früher besser gewesen, teile ich nicht.

    6. Vereine: Die Ablehnung von Schiedsrichtern ist kein Nachteil, auch zum Schutz des Schiedsrichters. Hier sind ebenfalls konkrete, nachvollziehbare und faire Kriterien einzuhalten.

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  2. Tipps
    SCH-GLA: Gräfe, Schiffner, Achmüller
    WOL-HOF: Dingert, Christ, Assmuth
    MAI-HER: Weiner, Grudzinski, Henschel
    FRE-DOR: Brych, Borsch, Lupp
    STU-BAY: Meyer, Willenborg, Bornhorst
    KÖL-PAD: Sippel, Leicher, Schüller
    HSV-HAN: Kircher, Kempter, Blos
    BRE-LEV: Welz, Foltyn, Thomsen
    AUG-FRA: Siebert, Osmers, Seidel

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    1. S04-BMG: Gräfe, Achmüller, Sinn
      WOB-HOF: Sippel, Leicher, Schüller
      FSV-HER: Weiner, Grudzinski, Henschel
      SCF-BVB: Welz, Foltyn, Dr. Thomsen
      VfB-FCB: Zwayer, Steuer, Pelgrim
      KÖL-SCP: Dingert, Christ, Aarnink
      HSV-H96: Dr. Brych, Borsch, Lupp
      SVW-B04: Fritz, Dietz, Schaal
      FCA-FRA: Siebert, Osmers, Seidel

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  3. Bruder eines Schiedsrichters29.04.2015, 10:23:00

    1.Tolle Seite hier, gratulation. Es wird Zeit, dass das Problemfeld Schiedsrichter nicht nur international sondern auch national endlich eindeutiger problematisiert wird. Seit Jahren ereignen sich immer wieder Dinge, die diesen Sport leider zerstören. Im Mittelpunkt: natürlich der Schiedsrichter.

    2. "Dass die deutschen Schiedsrichter früher besser waren, ist mMn ein Fall von "früher war alles besser". Gerade in der Hinrunde gab es doch verhältnismäßig wenig Kritik an den Schiedsrichtern. Zum Beispiel in England ist die Unzufriedenheit mit den Referees deutlich größer."
    -> Das Argument, dass es andere Länder vermeindlich schlechter haben, mit Ihren Schiedsrichterleistungen, entschärft kaum den Vorwurf, dass es auch bei uns in Deutschland riesige Probleme gibt.

    3."Fandel und Krug beförderten nach Sympathie, hätten kein Mitgefühl" finde ich einen Widerspruch in sich. Man kann natürlich strikt nach Noten entscheiden oder aber auch die Persönlichkeit mit einfließen lassen. Aber hier wird ja im Prinzip beides kritisiert. Und Entscheidungen "nach Sympathie" hören sich sehr nach dem Vorwurf eines Benachteiligten an.
    -> Sie interpretieren in Ihrem Kommentar zu viele Dinge, die man auch anders betrachten könnte: wenn Fandel und Krug nach Sympathie nominieren, kann das auch aus neutraler Sicht so geäußert sein - selbstredend erscheint dabei, dass auch Sie als Autor zum Schiedsrichterwesen hinzuzurechnen sind. Denn, Ihr Rückschluss auf die Äußerung eines Benachteiligten offenbart die gesamte Hänselei im Schiedsrichter-Dasein. Auf beruflicher Basis mag man in diverse Debatten vertieft sein, beim Amt des Schiedsrichters, gerade im Amateurbereich, artet das gerne etwas aus. Das bedeutet: viele mögen am Ende des Tages doch recht haben (ohne, dass Sie es wissen) in dem Sie den Referee als schwul bezeichnen. Oder was braucht es für eine gewünschte Nominierung noch genau? Die Verselbstherrlichung des Schiedsrichterwesens in der Verantwortung von zwieträchtigen Figuren (Fandel, Krug) kann nicht der Organisation entsprechen, die angesprochene Problematiken vermeiden würden. Es ist nicht nur ein Fehler, ehemalige Schiedsrichter für Nominierungskriterien hinzuzuziehen, der gesamte Aufbau des Schiedsrichterwesens wird einerseits zu wenig unterstützt und seitens des DFB zu wenig ausgeleuchtet, und andererseits bedarf das Regelwerk dringender Überarbeitung, da der jeweilige Ermessensspielraum für Schiedsrichter nicht nur viel zu groß ist, sondern schlichtweg die geforderte Leistung menschliche Fähigkeiten schon seit Jahren überschreiten. Das die Schiedsrichter-Problematik zum Fußball nun mal dazugehöre, kann soweit nicht als Entertainment-Plus eingeordnet werden, soweit es sich tatsächlich um eine Problematik handelt. Leider sind die Problematiken in der jüngsten Vergangenheit der letzten 10-15 Jahre immer deutlicher geworden.

    Die Verselbstherrlichung und Schönrednerei muss ein Ende haben.

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